Lukas Stoermer „Der Schnitt“

 

 

Der_SchnittKlappentext:

Mit dem vorliegenden Sachroman, der den jungen Manuel ein Stück durch seine Jugend und sein Erwachsenenleben begleitet, hält Lukas Stoermer ein leidenschaftliches, aber fundiertes Plädoyer für mehr Aufklärung und einen sensibleren Umgang mit der fast schon standardmäßigen, oft aber auch nur gedankenlosen Beschneidung von Jungen in unserem Kulturkreis.

Gleichzeitig zeichnet der Autor das lebendige Bild eines Jungen im Deutschland der 1980er / 1990er Jahre, in dem sich so mancher, der in dieser Zeit die Pubertät durchlebte und das Erwachsensein erprobte, sicherlich wieder erkennt!

Lukas Stoermer, geboren 1971, studierte Jura und Neuere Geschichte. Er arbeitet als Anwalt und Freier Journalist. Sein Interesse gilt vorwiegend sozialethischen und medizinrechtlichen Fragen. Er lebt in der Nähe von Hamburg.

„Der Schnitt“ ist sein erster Roman.

Kontakt: lukas.stoermer@yahoo.de

elbaol verlag für printmedien Hamburg

ISBN: 978-3-939771-05-0

190 Seiten, EUR 14,95

 

 

Über das Buch

 

Die Beschneidung von Mädchen, vor allem in Afrika, aber auch anderswo in aller Welt, wird schon seit langem zu Recht kritisiert und geächtet. Insbesondere der Roman „Wüstenblume“ von Waris Dirie führt die Folgen dieses grausamen Rituals, gegen das viele Organisationen seit Jahren ankämpfen, besonders drastisch vor Augen.

Demgegenüber ist die Jungenbeschneidung nach wie vor höchst selten Gegenstand gesellschaftlicher Diskussionen. Meist fallen in diesem Zusammenhang Sätze wie: „Es ist schließlich nur ein ganz kleiner Eingriff, der hygienisch nur Vorteile bringt und zudem schnell wieder verheilt.“

In der Tat wird eine Jungenbeschneidung in der Regel als etwas „ganz Normales“ dargestellt, selbst in bedeutenden Romanen der Weltliteratur. So beginnt beispielsweise John Irwing’s „Gottes Werk und Teufels Beitrag“ damit, dass auf einer Säuglingsstation alle neugeborenen Jungen unmittelbar nach der Geburt ganz selbstverständlich beschnitten werden.

Dass eine Beschneidung jedoch ein – im wahrsten Sinne des Wortes – sehr einschneidendes Erlebnis im Leben eines Jungen sein kann und von den Betroffenen nicht nur als positiv, ja mitunter sogar als sexuelle Verstümmelung empfunden wird, wird häufig übersehen.

Da Jungen in aller Regel vor der Pubertät beschnitten werden, fehlt den meisten die Vergleichsmöglichkeit des sexuellen Lustempfindens mit einem intakten Penis. „Der Schnitt“ erzählt von einem Jungen, dessen Vorhautentfernung genau in die Zeit der Pubertät fiel. Manuel schreibt über seine Gefühle und die mit der Beschneidung verbundenen Folgen, über den Umgang mit Mädchen sowie über die eigene sexuelle Identität und das Gefühl „anders“ zu sein, das er auch später nie wirklich los wurde.

Der aktuelle Anlass, dieses Buch zu verfassen, war der tragische Tod des kleinen Franjo, der im Anschluss an seine Beschneidung sterben musste und der Auftakt des Prozesses gegen die behandelnde Ärztin in Hamburg.

Dieses Buch soll weder als Anklage verstanden werden, noch als Versuch, in irgendeiner Weise die Beschneidungen von Männern und Frauen miteinander zu vergleichen oder die Beschneidung von Jungen in anderen Kultur- und Religionskreisen zu kritisieren. Es will lediglich den Fokus auf ein Tabuthema lenken, über das in Deutschland immer noch weitgehend Unkenntnis herrscht.

Lukas Stoermer, März 2009

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Erschreckende Einblicke …

 

„Der Schnitt“ – ein schmales, unscheinbares Büchlein und dennoch in Deutschland einmalig in seiner Art. Es zeigt Momentaufnahmen aus dem Leben des 13jährigen Manuel, der nach einer für ihn völlig unverständlichen Operation „anders“ ist, und zwar ausgerechnet an DEM Körperteil, dass ihn als JUNGE auszeichnet.

Manuel wird zum Außenseiter – sein einziger Freund teilt das gleiche Schicksal. Der pubertierende Teenager spürt (im doppelten Sinne des Wortes), dass ihm Unrecht geschieht, als er von einem Tag auf den anderen ohne ersichtlichen Grund in einer Kinderklinik beschnitten wird. Aber er schweigt, weil die Wahrheit und die Probleme nach der OP einfach zu peinlich sind.

Lukas Stoermer erzählt von einer Operation, die auch in Deutschland tagtäglich unzählige Jungen über sich ergehen lassen müssen, der Beschneidung (Entfernung) der Penisvorhaut. Fast keiner dieser Jungen wird gefragt, ob er diesen Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit überhaupt möchte – und eine evidente medizinische Notwendigkeit für die längst unzeitgemäße Operation lässt sich in den allermeisten Fällen nicht diagnostizieren. Die Aufklärung von Eltern und Patienten über Alternativen, etwa Salben oder vorhauterhaltende OP-Verfahren, ist in aller Regel miserabel bis nicht vorhanden.

Beschneidung, Zirkumzision – Ärzteschaft und Öffentlichkeit sprechen von einer „Routineoperation“ und vergessen dabei, dass „Routine“ durchaus nichts Gutes bedeuten muss. Routine macht blind und leichtsinnig.

Dem vierjährigen Franjo aus Hamburg, dessen Tod Anlass für das Entstehen dieses Buches war, haben Routine und eine Verkettung von menschlicher Kälte und ärztlichem Versagen das Leben gekostet – eine Tragödie, die mit einer offensichtlich unnötigen Beschneidung begann.

Lukas Stoermer erzählt vom stillen Leid eines ursprünglich gesunden 13jährigen Jungen und den kaum bekannten körperlichen und seelischen Folgen seiner sinnlosen Beschneidung.

Die geradezu erschreckende Maschinerie, welcher (nur im Roman?) Kinder und Jugendliche im Internat ausgesetzt sind, wird erst auf den zweiten Blick klar. Keine Chance, sich gegen diese immer gleichen Abläufe zu wehren, zu denen bei Jungen eine indiskrete und rücksichtlose „Eingangsuntersuchung“ offenbar dazu gehört.

Im zweiten Teil des Buches ist Manuel erwachsen und selbst Vater eines 9jährigen Sohnes. Es kommt, wie es kommen musste: Auch Benjamin soll nach Meinung der Ärzte beschnitten werden – ohne medizinischen Grund, sozusagen „prophylaktisch“, weil er sowieso narkotisiert werden muss. Dass ein solches Vorgehen rechtswidrig ist, bemerkt der medizinische und juristische Laie ohnehin nicht.

Wie Benjamin und seine Eltern auf dieses zwischen Flur und OP-Saal geäußerte makabere Ansinnen der Mediziner reagieren – lesen Sie selbst …!

Mario Lichtenheldt, April 2009