Gefangen in Schweigen

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Diese Aufnahme entstand im Juni 1966. Etwa 3 Jahre später wurde der kleine Junge beschnitten.

 

Gefangen in Schweigen

 

Christian M. (Name geändert) ist heute 40 Jahre alt.

Er ist verheiratet und hat drei Kinder.

Christian wurde mit etwa 4 Jahren wegen einer Phimose beschnitten.

 

 Schatten

Es sind einzelne Bilder, die ich erstaunlich klar vor mir sehe, die ich aber nicht mehr zuordnen, nicht mehr in einen Zusammenhang bringen kann:

Krankenschwestern, die meine Bettdecke zurückschlagen und mich ausziehen. Ich stehe auf einem Tisch. Um mich herum viele fremde Leute, die mich festhalten, als könnte ich jeden Moment umfallen – ich bin doch kein alter Opa! Ein Arzt mit furchtbar großen Händen untersucht meinen „kleinen Mann“. Der Arzt sieht aus wie mein Onkel. Ich kann nicht sehen, was da passiert, ich sehe nur die Hände, während über meinem Kopf ein gelber Teddybär schwebt. Was macht der nur da oben? Es tut nicht weh und ich habe auch keine Angst. Oder doch? Ich kann mich nicht genau erinnern. Es ist wie im Stummfilm – keine Töne, keine Schmerzen, aber klare Bilder – mit 4 Jahren?

Da sind noch mehr Hände. Sie greifen nach mir wie lautlose Schatten. Sie legen mich auf das Bett. Sanft drückt einer dieser Schatten meinen Kopf nach hinten und streichelt meine Stirn. Die Riesen-Hände sind immer noch „da unten“ oder besser gesagt: Sie sind überall, so groß sind sie. Keine Ahnung, weshalb ich mich ausgerechnet daran erinnere.

Gibt es das überhaupt? Kann man sich nach über 30 Jahren an ein paar Hände erinnern oder bilde ich mir das nur ein?

Der Teddy schaut mich an. Über mir leuchtet eine gewaltige runde Lampe. Außer dem Teddybär spricht niemand mit mir. Er redet ohne Töne…

Ob sich das alles vor, während oder nach der OP oder sogar noch später abgespielt hat, weiß ich nicht.

Wie der „kleine Mann“ da unten unmittelbar nach der OP aussah – daran erinnere ich mich deutlich! Ich lag halbnackt unter einer Art Zelt im Bett. Ein blutiges Etwas an der Penisspitze, der gesamte Unterleib mit einer braunen Brühe beschmiert – kein besonders schöner Anblick…

 

Es heilt wieder!

Zu Hause musste ich täglich baden – in violett gefärbtem Wasser. Manchmal saß ich in der Badewanne, manchmal musste ich nur meinen Penis in einen Becher tauchen und warten. Es tat nicht weh, nur die Haut wurde ganz braun davon.

„Es heilt wieder!“ hatte meine Mutter gesagt – genau wie in dem Lied, in dem sich ein kleiner Junge in den Finger schneidet.

„Es heilt wieder!“ – Ich glaube, ich habe das damals gründlich falsch verstanden.

 

Im Kindergarten

Im Kindergarten wurde mir zum ersten Mal „gesagt“, dass ich „da unten komisch aussehe“. Sie hatten es gesehen – beim Pullern. Hänseleien und Gekicher folgten. Irgendwann fand ich mich mit heruntergezogener Hose im Kreise einiger Kinder wieder, die um mich herum tobten, mich auslachten, verspotteten und mittels eindeutiger Gesten „Abschneiden“ spielten. Ich hatte panische Angst. Schließlich verkroch ich mich in eine Ecke und ließ niemanden mehr an mich heran. Wie es dazu kam weiß ich nicht mehr. Es hat mich niemand festgehalten – ich stand einfach nur da, ohne mich zu wehren oder wegzulaufen oder irgendetwas zu tun. Vermutlich dauerte das alles nur wenige Augenblicke – doch seitdem hatte ich Angst. Es war nur Spaß – für die anderen! Kein Erwachsener hat eingegriffen!

Nach diesem Vorfall habe ich WC und Waschraum gemieden – mit fatalen Folgen: Bis ins Schulalter habe ich „lieber“ in die Hosen gemacht, als zur Toilette zu gehen und dort wieder ausgelacht zu werden.

In der Schule bin ich während der Unterrichtsstunden zur Toilette gegangen, wenn dort außer mir niemand war.

Wenn ich meine Eltern heute über diese Zeit reden höre habe ich den Eindruck, dass sie noch immer nicht wissen, weshalb mir „das“ damals ständig passiert ist.

Meine Eichel sah damals noch aus wie bei einem unbeschnittenen Jungen, der seine Vorhaut zurückgezogen hat, was natürlich im Vergleich mit der normalen Haut besonders ins Auge stach. Für mich war es eine „Wunde“, die zwar nicht mehr weh tat, von der ich aber immer noch hoffte, sie würde irgendwann endlich „heilen“. Erst viel später verblasste dieser Gedanke allmählich und mir wurde klar, dass diese Wunde nie mehr heilen würde.

Wahrscheinlich ist es ganz normal, dass man in diesem Alter mit den Körperteilen unterhalb der Gürtellinie vor allem unangenehme, eklige, eben Ausscheidungsvorgänge verbindet.

Und ausgerechnet dort hatte es mich erwischt – peinlich!

 

Zu Hause

In Gesprächen mit meinen Eltern ist das Thema Beschneidung niemals vorgekommen. Bis zur Pubertät wusste ich nicht einmal, was die Worte „Beschneidung“ und „Phimose“ überhaupt bedeuten. Mein Problem als Kind war nicht die Beschneidung an sich, sondern fehlendes Wissen und Selbstbewusstsein, das Unvermögen, sich zur Wehr zu setzen oder gar selbst offensiv aufzutreten. Ich hatte keine Antworten auf diese Hänseleien und so hat sich das „hochgeschaukelt“, ist immer mal wieder passiert. Den genauen Grund für meine Beschneidung kannte ich auch nicht. Die Erwachsenen haben geschwiegen, sicher nicht in böser Absicht – sie haben eben einfach nicht gemerkt, wie mies ich mich oft gefühlt habe, weil ich glaubte, „kein richtiger Junge“ mehr zu sein. Der Arzt hatte ihnen vermutlich das Gleiche gesagt, was er mir viele Jahre später auch sagte: „Das sieht doch sehr gut aus – eine hervorragende Arbeit!“ Das mag ja zutreffen – „operationstechnisch“ gesehen. Mein Problem damals war aber psychischer Natur – und das ist (auch heute!) einfach nicht vorgesehen – weder im Aufklärungsgespräch noch in der schriftlichen Patienteninformation.

Geärgert und geschämt habe ich mich, wenn sich meine Eltern mit Bekannten über meine Beschneidung unterhielten. Erst gab es mitleidige Blicke, dann jenen Satz, den ich so ähnlich auch heute noch manchmal im Zusammenhang mit Phimose höre:

„Das ist sicher das Beste für den Jungen. Da hat er wenigstens seine Ruhe!“

„Ruhe“? Welch ein Hohn! Manchmal war ich richtig wütend: Sie reden immer nur von früher. Sie reden nicht von heute und nicht mit mir und schon gar nicht über den ganzen Mist, den mir diese „Abschneiderei“ eingebracht hat.

„Stell dich nicht so an – das haben viele Jungen!“ hat mal eine Krankenschwester in der Klinik zu mir gesagt, nachdem ich mich bei einer Untersuchung „da unten“ nicht ausziehen wollte. Den ersten dieser „vielen Jungen“ habe ich allerdings erst mit 14 kennen gelernt.

 

Beschneidung als Strafe für Schmutzfinken und Behinderte!

Spätestens seit ich mit etwa 10 oder 11 Jahren sexuell aufgeklärt war habe ich Familienfeiern und die bei solchen Gelegenheiten zu erwartenden doppelsinnigen Gespräche gehasst, obwohl ich mich nur an eine einzige Szene wirklich erinnere, bei der ich das Gefühl hatte, vor Wut explodieren zu müssen.

Anlässlich meines Geburtstages war wieder einmal Gelegenheit, meine Kinderkrankheiten ausführlich zu erörtern. Aus dem Munde meiner Mutter erfuhren Tanten und Großtanten auf ihre besorgten Fragen, dass ich seit der OP „da unten“ keine Probleme mehr hatte. Klar, es war ja auch nix mehr vorhanden, das Probleme hätte bereiten können! Es hätte nur noch gefehlt, dass sie von mir verlangten, die Hosen runter zu lassen, damit sie sich das mal anschauen können.

Am liebsten wäre ich im Boden versunken und auch meiner Mutter war diese taktlose Fragerei unangenehm, aber es kam noch schlimmer: Bei Erdbeertorte mit Schlagsahne kamen meine Geburtstagsgäste überein, dass es wohl das Beste wäre, den „Schmutzfinken“ von gegenüber (gemeint war ein Junge aus der Nachbarschaft) und vor allem den behinderten Jungen aus der F-Straße, einen Sonderschüler, „vorsorglich“ beschneiden zu lassen – aus hygienischen Gründen, weil die beiden sich „da unten“ ganz bestimmt sowieso nicht ordentlich waschen! Außerdem könne die Mutter ja nicht ewig „kontrollieren“. Alle nickten eifrig und Tante Elly fuchtelte mit der Kuchengabel herum, als wolle sie den Beschluss sofort in die Tat umsetzen.

So war das also: Behinderte und Jungen, die sich nicht ordentlich waschen, werden beschnitten. Beschneidung als Strafe!

Die Worte waren mir nicht neu: Mein Bruder musste sich das eine Zeit lang ständig anhören. Der beschnittene Bruder als „schlechtes Beispiel“ für den unbeschnittenen! Ich war mir keiner Schuld bewusst. Gefühlt habe ich mich trotzdem wie ein ertappter und gebrandmarkter Übeltäter!

Das diffuse Gefühl, dass irgendjemand irgendwann etwas mit mir gemacht hat, was mich gegenüber gleichaltrigen Jungen und selbst gegenüber meinem jüngeren Bruder abwertet, war immer da – mal mehr, mal weniger.

Dieses kleine Stück Haut, das mir fehlte, bewirkte also, dass ich in den Augen der anderen kein richtiger Junge mehr war!

Manchmal habe ich mich selbst verachtet, wenn ich z. B. beim Baden meinen Penis sah. Warum war das ausgerechnet mir passiert? Hatte ich etwas falsch gemacht und wurde deshalb beschnitten?

 

Schule „Es war doch nur Spaß!“

Mein „Versteckspiel“ hatte ich immer weiter perfektioniert – und dabei ging mir immer mehr verloren, was zum Leben eines „normalen“ Jungen einfach dazu gehört: Sport, Schwimmen, Klassenfahrten, Ferienlager – ich tauchte ab, wo es nur ging. Ich war eben einfach nicht da, hatte keine Lust oder war schlimmstenfalls krank. Lange ging alles gut.

In der 6. Klasse ist es dann doch noch einmal passiert:

Während eines Geländespiels, an dem mehrere Klassen teilnahmen, war ich vom Lehrer einer Gruppe älterer Jungen zugeteilt worden. Gemeinsam sollten wir nach Karte und Kompass einen Weg durch den Wald suchen und an einer bestimmten Stelle auf eine andere Gruppe treffen.

Die Großen wollten mich loswerden und ließen mich einfach stehen, nachdem kein Erwachsener mehr zu sehen war. „Hau ab! Du gehörst nicht zu uns!“ fauchte mich der eine an. „Der ist ja nicht mal ein richtiger Junge!“ feixte ein anderer. „Dem haben sie da unten was abgeschnitten – hat mein Bruder gesagt.“

Das Interesse der Anderen war geweckt. Jetzt wollten sie es genau wissen! Es war wieder wie damals im Kindergarten – nur brutaler und bewusster und – es war wieder nur Spaß:

Sie hielten mich an Armen und Beinen fest und machten sich einen Jux daraus, mir in die Hose zu fassen und an meinen Genitalien herumzudrücken, um festzustellen, ob ich ein „richtiger“ Junge bin. Nachdem sie mir den Slip heruntergezogen hatten „untersuchten“ sie meinen Penis. „Na, tut das weh?“ und „Schön still halten!“ Es sollte wohl so etwas wie eine ‚ärztliche Untersuchung“ sein…

„Das war doch nur Spaß!“ sagten sie später, als ich ohne ein Wort zu verlieren nach Hause ging. Und außerdem hätte ich ja noch Glück gehabt, dass keine Mädchen dabei waren! Am nächsten Tag bekam ich Ärger in der Schule, weil ich die Gruppe verlassen hatte, ohne mich bei einem Lehrer abzumelden. Von meinem Vater gab’s noch ein paar Ohrfeigen als Zugabe. Er hatte auf Arbeit erfahren, dass „sein Sohn neuerdings nur noch zur Schule geht, wenn er möchte.“ Den eigentlichen Hintergrund dieser Abmahnung kennen meine Eltern bis heute nicht.

Ich habe mit niemandem über den Vorfall geredet – mit wem auch! Mit dem Lehrer, der mir den Verweis aufgebrummt hatte? Oder vielleicht mit meinem Vater? Mit meiner Mutter – einer Frau? Je länger mein Schweigen dauerte, umso stärker wurde das Gefühl, ein absoluter Versager zu sein. Sie konnten mit mir machen, was sie wollten. Sie wussten: Ich würde mich nicht wehren oder jemanden um Hilfe bitten. Es war einfach zu peinlich, mit jemandem darüber zu reden. Von diesem Tage an habe ich niemandem mehr vertraut. Am Schuljahresende stand dann im Zeugnis, dass ich mich von der Klasse absondere. Warum – das stand dort nicht…

 

Dr. Egal

Ärztliche Untersuchungen waren der Horror für mich. In der 7. (?) Klasse stand eine Reihenuntersuchung an. Ich weiß nicht mehr, ob es eine reguläre Schuluntersuchung war oder ob es um die Teilnahme an einem Ferienlager oder um Ferienarbeit ging. Es waren mehrere Jungen im Raum und ich hatte – wie immer – Angst, mich „da unten“ ausziehen zu müssen. Ohren, Augen, Zähne, Rücken abklopfen, messen, wiegen, Beine verdrehen – alles in Unterwäsche oder kurzen Sportsachen, einer nach dem anderen. Manches erledigte eine Schwester, während die Ärztin andere Jungen begutachtete. Es lief wie am Fließband. Irgendwann wurde man zum Tisch der Ärztin geschickt, wo bereits „Andrang“ herrschte. „Na, alles in Ordnung bei Euch Jungs?“ fragte sie gespielt locker und begann sogleich, nach der Antwort auf ihre Frage zu suchen. Bei den meisten schaute sie nur flüchtig in die Hose. Der Junge jedoch, der direkt vor mir an der Reihe war, stand plötzlich nackt vor der Ärztin. Ihm passierte genau das, wovor ich Angst hatte: Es konnten alle zusehen. Er war nicht beschnitten.

Binnen weniger Minuten hatte Frau Dr. alle Jungen untersucht – wie ein Roboter. Auch bei mir ging es schnell – obwohl sie ebenfalls „etwas genauer“ hinsah und meine Sporthose ein wenig nach unten zog. Das Fehlen meiner Vorhaut störte „Frau Dr. Egal“ nicht im Geringsten „… Zustand nach Phimose-OP … in Ordnung! Der Nächste!“

Froh darüber, dass es vorbei war, zog ich mich an, als mir jemand zurief: „He! Du musst noch deine Vorhaut zurückziehen!“ Gekicher – nur einer blieb stumm: der Junge, der vor mir untersucht worden war! Später fragte er mich, was Phimose ist. Die Ärztin hatte dieses Wort bei seiner und bei meiner Untersuchung gebraucht. Das hatte er gehört – und er hatte mich „unten ohne“ gesehen. Ich glaube, er hatte Angst.

Es klingt heute verrückt, aber sogar bei der Auswahl der Unterwäsche war ich bestrebt, nicht entdeckt zu werden. Slips akzeptierte ich nur, wenn sie sehr eng waren. Im Sportunterricht trug ich unter der kurzen Kleidung eine Badehose, die eng am Körper anlag.

Was mich damals genervt hat war das ständige Drängeln meiner Eltern, endlich Schwimmen zu lernen. Das sollte aber noch bis zu meinem 16. Lebensjahr dauern.

Meine Eltern glaubten, ich hätte Angst vor Wasser. Angst hatte ich wirklich – aber nicht vor Wasser, sondern vor der Dusche und davor, von den anderen nackt gesehen zu werden. Freiwillig ging ich in kein Schwimmbad! Ich wollte einfach nicht, dass es irgendjemand sieht.

 

Nur eine „Kleinigkeit“

Wir hatten damals zu Hause noch keine Dusche und gebadet wurde nur samstags. An den Wochentagen mussten sich alle Familienmitglieder am Waschbecken in der Küche waschen. Ich konnte darauf warten, von meiner Mutter (!) ermahnt zu werden, meine „Haut“ nach vorne zu ziehen. Irgendwer hatte ihr gesagt, dass sich die verbliebene Haut des Penis dadurch allmählich wieder verlängern würde. Es war einfach nur peinlich.

Christian_1Ich erinnere mich an eine ärztliche Untersuchung im Alter von ca. 13 Jahren, die in gewissem Sinne sogar auf meinen eigenen Wunsch stattfand, eben weil ich Probleme hatte – mit anderen und mit mir selbst. Hänseleien, dumme Sprüche, immer das Gleiche, nach dem Sport, im Freibad … Es hatte sich wohl herumgesprochen, dass mir „da unten“ etwas fehlte. Dazu kamen Minderwertigkeitsgefühle – ich fühlte mich TATSÄCHLICH als „halber Junge“.

Merkwürdig finde ich im Rückblick auch, dass ICH SELBST (später) auch andere beschnittene Jungen für nicht vollwertig hielt.

Die Untersuchung wäre für mich, meine Eltern und die Ärztin die Gelegenheit gewesen, mir endlich zu erklären, weshalb fast 10 Jahre zuvor diese OP gemacht worden war, was bei mir „anders“ ist und wie ich wieder selbstbewusster, selbstzufriedener und sicherer werden kann. Stattdessen (Originalton Kinderärztin sinngemäß): „Ach na ja, das haben viele Jungs!“

Ich musste mich zunächst noch nicht einmal ausziehen, nur die Hose öffnen. Ein kurzer Blick in meinen Slip und die Feststellung, dass man da nichts mehr ändern könne und dass das doch außerdem „ganz gut“ aussähe.Das Erstaunen der Kinderärztin war gespielt, als ich ihr trotzdem meine Sorgen mitteilte, besser gesagt: irgendwie hervor stammelte und den offenbar völlig abnormen Wunsch vortrug, wieder so aussehen zu wollen, wie ein „richtiger“ Junge. Ich hatte das sichere Gefühl, dass sie mich für komplett verrückt hielt.

„Na ABER, das ist doch nun wirklich nur eine Kleinigkeit!“ wurde ich in fast schon ärgerlichem Ton belehrt, während sie nun doch meinen Penis inspizierte. „Und schau mal, das ist doch auch viel besser für Dich!“ (die Hygiene-Leier). „Du willst doch nicht diesen ollen Zipfel wieder haben!“ Ja, sie hatte „oller Zipfel“ gesagt! Ich kam mir vor wie ein begossener Pudel.

Mit mir sprach die Ärztin nur wenig, wohl aber mit meinen Eltern – im Flüsterton! Hilfe oder Zuspruch bekam ich nicht. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass sie mich „mochte“ oder besser gesagt: dass sie beschnittene Jungen ganz toll fand. Einbildung…?

 

Pubertät – „pur“!

Das Wachstum des Penis zu Beginn der Pubertät ließ die Eichel noch deutlicher hervortreten. Mit der hinter der Eichel liegenden Hautfalte konnte ich ähnlich wie ein unbeschnittener Junge masturbieren, wenn ich sie nach vorne zog und die Penisspitze damit „massierte“. Da die Haut aber eigentlich zu kurz war tat dies manchmal am Penisansatz (Schambereich) weh, na ja, zumindest war es nicht unbedingt angenehm. Irgendwann entdeckte ich, dass die direkte Stimulation der Eichel ein intensiveres Gefühl hervorrief und benutzte heimlich irgendeine gut riechende Salbe meiner Mutter als Gleitmittel. Meine Mutter wunderte sich über den rätselhaften „Salbenschwund“ und vermutete (scherzhaft) ein Leck in der Verpackung. Entweder ahnte sie wirklich nichts oder sie hat ganz bewusst geschwiegen und ohne viele Worte für „Nachschub“ gesorgt, denn irgendwann fand ich statt ihrer Creme ein deutlich „glitschigeres“ Kinder (?) Pflegemittel vor, das sie wohl kaum zur Gesichtspflege benutzt haben dürfte.

Die Tatsache, dass die Eichel nach der Beschneidung trocken und weniger sensibel geworden war, empfand ich zunächst nicht als Nachteil. Ich wusste, dass es für unbeschnittene Jungen sehr unangenehm sein kann, ihre blanke Eichel zu berühren und wunderte mich, weshalb mir selbst derbe Berührungen dort nichts ausmachten, aber da ich lange vor der Pubertät beschnitten worden war hatte ich ja keinen Vergleich mit dem „normalen“ Körperempfinden und hielt die heftige „Rubbelei“ bis zum Orgasmus für normal, Zweifel kamen erst später.

Nach dem „ersten Mal“ wurde mir bewusst, dass es Mädchen und Frauen gefällt, den Mann möglichst lange und intensiv in sich zu spüren. Meine erste Freundin fand es gut, dass ich in der Lage war, sie relativ heftig und ausdauernd zu stimulieren, ohne dass ich damals schon wusste, weshalb das für mich einerseits ziemlich anstrengend, andererseits manchmal total unbefriedigend war. Ausgerechnet dieses Mädchen war es auch, mit dem ich mehr als ein paar belanglose Worte über meine Beschneidung sprach. Sie schwärmte geradezu von meinem beschnittenen Penis, was mich zunächst völlig verunsicherte. Es war (aus ihrer Sicht) aber keineswegs egoistisch oder abwertend – sie fand das „niedlich“ und freute sich ehrlich für sich und für mich.

Ein Pluspunkt für die Beschneidung? Ich war zufrieden, geradezu „happy“ und wenn ich mir überlegte, dass ein beschnittener Penis sogar hygienischer sein sollte als ein unbeschnittener, dann konnte ich mich doch eigentlich glücklich schätzen!

Doch es gab eben auch richtig unangenehme Erlebnisse: Schon früher, mit 13 oder 14 hatte ich bei einer Erektion manchmal Schmerzen an der Unterseite des Penis (meist im falschen Moment) und auch wenn ich die verbliebene Haut zu heftig nach vorne zog, tat es weh. Ich verhielt mich ruhig und wartete darauf, dass die Erektion nachließ. Zum Arzt zu gehen oder mit meinen Eltern zu reden – dazu fehlte der Mut. Außerdem war da der Gedanke: „Womöglich schneidet der noch mehr weg!“ Zum Glück hörten diese Probleme mit etwa 16 Jahren von selbst auf.

 

Versteckspiel mit Spiegel

Mit 14 oder 15 Jahren war das „Versteckspiel“ plötzlich vorüber. Durch Zufall lernte ich einen Jungen kennen, der mir eines Tages völlig überraschend erklärte, dass man ihn – vermutlich erst kurz zuvor – beschnitten hatte.

Ob das ein Problem für ihn war, weiß ich nicht. Ich kann mich auch nicht mehr erinnern, wie wir überhaupt auf dieses Thema gekommen sind. Für mich war es, als hätte jemand einen Spiegel zwischen uns gestellt. Als er erfuhr, dass man auch mir die Vorhaut abgeschnitten hatte, schloss er einfach die Tür zu und zog Jeans und Slip runter. Auch ihm hatten sie die Vorhaut komplett entfernt.

„Zeig her! Wie schlimm ist es bei Dir?“ Ich hatte plötzlich kein Problem mehr damit, ihm zu zeigen, wie „schlimm“ es bei mir war…