Die Geschichte der Bescheidung – von der Antike bis zur heutigen Zeit

Die älteste bekannte Dokumentation einer Beschneidung ist ein ägyptisches Relief, das auf das Jahr 2420 v. Chr. datiert wird. Tatsächlich ist dieser Brauch als Initiationsritus bei manchen Naturvölkern noch sehr viel älter.

 

Die Beschneidung in der antiken Welt

Die älteste bekannte Dokumentation einer Beschneidung ist ein ägyptisches Relief, das auf das Jahr 2420 v. Chr. datiert wird. egyptTatsächlich ist dieser Brauch als Initiationsritus bei manchen Naturvölkern noch sehr viel älter. Praktiziert wird auch heute noch die Beschneidung in großen Teilen Afrikas, bei den australischen Aborigines, bei wenigen neuseeländischen Stämmen, auf den Philippinen, auf den Fidschi-Inseln, auf Samoa und auf Borneo. Nicht unerwähnt bleiben darf, dass außerdem in vielen afrikanischen Ländern auch noch heute Mädchen beschnitten werden, wobei meistens die Klitoris und die kleinen Schamlippen entfernt werden und oft auch die Vagina größtenteils verschlossen wird. Diese allerdings mit erheblich gravierenderen körperlichen Konsequenzen verbundene als FGM (Female Genital Mutilation / Weibliche Genitalverstümmelung) bekannte Praktik ist im Gegensatz zur MGM (Male Genital Mutilation / Männliche Genitalverstümmelung) international geächtet.

Es wird vermutet, dass die ägyptischen Priester von den beschnittenen Penissen nubischer Sklaven beeindruckt waren. Daher führten sie die Beschneidung auch in Ägypten ein. Die Juden lernten dann dort diese Praktik. Unter dem Diktat von Moses wurde die Beschneidung von Neugeborenen („milah“) zur Pflicht. Bis ins zweite Jahrhundert wurde diese Beschneidung in einer weniger radikalen Form durchgeführt. Dann wurden Fälle bekannt, dass sich Männer in ähnlicher Weise wie das heute wieder aktuell ist, ihre Vorhaut wiederherstellten. Um das in Zukunft zu verhindern, wurde die verschärfte Praktik des „Parijah“ eingeführt. Dabei trennt der „Mohel“ seinem schreienden Opfer schließlich mit seinem geschärften Daumennagel auch noch die innere Hautschicht ab. Heute werden oft „moderne“ Instrumente dafür benutzt.

Mohammed, der merkwürdigerweise ohne oder zumindest mit einer sehr kurzen Vorhaut zur Welt kam (solche Fälle kommen gelegentlich vor), ordnete die generelle Beschneidung von Knaben an. Diese wird daher auch heute noch bei Söhnen von Moslems im Kindesalter durchgeführt. Obwohl fast durchweg praktiziert, gibt es auch im Islam unterschiedliche Ansichten, ob die Beschneidung tatsächlich Pflicht ist, da sie nicht im Koran, sondern in der nicht so hoch bewerteten Sunna erwähnt und dort als „empfohlen“ definiert ist.

Die Beschneidung in der modernen Welt

hat eine ganz andere Geschichte. Es begann im 18. Jahrhundert, als (nachdem schon eine zunächst weniger beachtete ähnliche KeuschheitsguertelPublikation erschienen war) der schweizer Arzt Dr. Samuel Tissot die Beschneidung als Kur für Masturbation, die er als Ursache für „jugendliche Rebellion“ und Krankheiten wie Epilepsie, „Erweichung von Körper und Geist“, Hysterie und Neurosen ansah, propagierte. (Auf Tissot geht übrigens auch die seltsame Vorstellung, dass Masturbation Haare auf den Handflächen wachsen lasse, zurück, die sich Jahrhunderte lang gehalten hat). Daraufhin wurden in einigen europäischen Ländern Knaben durch Beschneidung „geheilt“. Zu einer allgemeinen Einführung kam es aber nicht, statt dessen wurden (neben der Methode der Infibulation) die merkwürdigsten Apparaturen und Vorrichtungen zur Verhinderung der Masturbation propagiert. Eine Ausnahme bildete das viktorianische England. Dort verbreitete sich die chirurgische „Heilmethode“ vor allem bei der Oberklasse, männliche Angehörige der Arbeiterklasse behielten jedoch häufig ihren intakten Penis. Durch das britische Imperium verbreitete sich die Beschneiderei in vielen Ländern, wie den USA, Kanada, Australien, Neuseeland, Südafrika und Indien.

Besonders in den prüden USA fand die Beschneidung ab 1860 Verbreitung. Dort erschienen nämlich etliche Publikationen, die die Beschneidung als Prävention gegen „Selbst-Missbrauch“ oder zur Bestrafung dafür propagierten, wie die folgenden Auszüge belegen:

„In Fällen von Masturbation müssen wir, wie ich glaube, die Angewohnheit brechen, indem wir die betreffenden Körperteile in einen solchen Zustand bringen, dass es zu viel Mühe macht, mit der Praktik fortzufahren. Zu diesem Zweck, falls die Vorhaut lang ist, können wir den Patienten beschneiden mit gegenwärtigem und wahrscheinlich auch zukünftigem Vorteil. Auch sollte die Operation nicht unter Chloroform vorgenommen werden, so dass der erlittene Schmerz mit der Angewohnheit, die wir auszurotten wünschen, in Verbindung gebracht werden kann.“
Athol A. W. Johnson, On An Injurious Habit Occasionally Met with in Infancy and Early Childhood, The Lancet, vol. 1 (7 April 1860): Seiten 344-345.

„Eine Abhilfe für Masturbation, die bei kleinen Jungen fast immer erfolgreich ist, ist die Beschneidung… Die Operation sollte durch einen Chirurgen ohne Betäubung vorgenommen werden, da der damit verbundene Schmerz einen heilsamen Effekt auf den Geist hat, insbesondere wenn er mit der Vorstellung von Bestrafung verbunden ist.“
Für die Mädels hat sich der Autor auch etwas Nettes ausgedacht:
„Bei weiblichen Personen fand der Autor, dass das Auftragen reiner Karbolsäure auf die Klitoris ein hervorragender Weg ist, um die abnormale Erregung zu dämpfen.“
Dr. John Harvey Kellogg [ja, genau, der mit den Cornflakes!], in: Plain Facts for Young and Old, Burlington, Iowa, F. Segner & Co., 1888, S. 295

„Clarence B. ergab sich dem geheimen Laster, das unter Jungen verbreitet ist. Ich führte eine Beschneidung an ihm aus … Er verdiente die gerechte Bestrafung durch den Operationsschmerz nach seinen unerlaubten Lustempfindungen.“
N. Bergman, Report of a Few Cases of Circumcision, Journal of Orificial Surgery, vol. 7 (1898): Seiten 249-251.

Irgendwann war diese Argumentation nicht mehr tragbar. Daraufhin wurden schnell hygienische und gesundheitliche „Gründe“ vorgebracht, um die Fortführung der Beschneidungen von Neugeborenen ohne deren Zustimmung, die für die amerikanischen Ärzte inzwischen auch eine wirtschaftliche Bedeutung bekommen hatte, zu rechtfertigen. Die Beschneidungsrate der männlichen Bevölkerung in den USA nahm weiterhin zu, wie folgende Zahlen (aus verschiedenen Quellen) belegen:

1871: 1 %
1887: 10 %
1888: 15 %
1895: 15 %
1900: 25 %
1912: 35 %
1920: 50 %
1935: 55 %
1940: 65 %
1950: 77 %
1960: 83 %
1971: 90 %

Erst seit den 80er Jahren wagten es zunehmend mehr Eltern, die, inzwischen in den amerikanischen Krankenhäusern routinemäßig (und manchmal ohne Zustimmung der Eltern!) durchgeführten, Beschneidungen abzulehnen. Gegenwärtig liegt der Anteil der Beschneidungen bei Neugeborenen, die auch heute noch, obwohl extrem schmerzhaft, überwiegend ohne Betäubung vorgenommen werden, in den USA im Durchschnitt bei 57 %, bei fallender Tendenz. Auch ist ein signifikanter Unterschied zwischen dem traditionell fortschrittlicheren Westen mit deutlich unter 50% gesunkener Beschneidungsrate und dem Osten und Süden festzustellen.

Schild: Warum Beschneidung?

In Großbritannien erschien 1949 im British Medical Journal die Abhandlung „The Fate of the Foreskin“ von Dr. Douglas Gairdner, die zum erstem Mal die Funktionen der Vorhaut beschrieb und daher die Beschneidung als überflüssig und nachteilig darstellte. Daraufhin lehnten die britischen Krankenkassen es ab, weiterhin für unnötige Beschneidungen zu zahlen. In der Folge sanken die Beschneidungsraten in Großbritannien innerhalb kurzer Zeit drastisch.
1968 erschien ebenfalls im British Medical Journal der Artikel: „The Further Fate of the Foreskin“ von Dr. Jacob Øster, der darstellte, dass der natürliche Ablösungsprozess zwischen Eichel und Vorhaut bis zu 17 Jahre in Anspruch nehmen kann.
1996 ist in den Richtlinien der British Medical Association unter „Beschneidung männlicher Neugeborener“ zu lesen:
„Zu therapeutischen Zwecken eine Beschneidung vorzunehmen, obwohl die medizinische Forschung andere Techniken erbracht hat, die wenigstens so effektiv und weniger einschneidend sind, wäre unangebracht und unethisch.“.

Auch in Kanada zahlen die Krankenkassen nicht mehr für überflüssige Beschneidungen. Die Zahlen sind bereits stark gesunken (in Neufundland sogar auf 0,4 %). Und in Australien liegt die Beschneidungsrate bei Neugeborenen „nur“ noch bei 12 % (Juni 2000). In Südafrika, wo Baby-Beschneidungen nur bei den britisch-stämmigen Weißen üblich waren, ist man auch weitgehend davon abgekommen und in Neuseeland ist diese Unsitte inzwischen praktisch abgeschafft.

Ende 1999 gab das Finnische Parlament ein Statement bezüglich ritueller Beschneidung bekannt. Ombudsman Riitta-Leena Paunio bemerkte, dass diese Operation ohne medizinische Begründung nicht empfohlen ist, die betroffenen Kinder sollten dazu befragt werden und ihre Zustimmung dazu geben. Sie sagte, das Finnische Parlament müsse die religiösen Rechte der Eltern über ihre Kinder aufwiegen gegen die Verpflichtung der Gesellschaft, ihre Kinder vor rituellen Operationen ohne unmittelbaren Vorteil für sie zu schützen. Mit sofortiger Wirkung ist nun in solchen Fällen die Zustimmung beider Elternteile erforderlich.
Diese Entscheidung ist wahrscheinlich weltweit die erste ihrer Art, und ein erster kleiner Schritt zu einer zukünftigen Gesellschaft, die die Rechte von Kindern voll respektieren wird.

Am 1.10.2001 trat in Schweden ein neues Gesetz in Kraft, das Beschneidungen ohne medizinische Begründung bei Jungen, die älter als 2 Monate sind, generell verbietet. Beschneidungen an jüngeren Babies dürfen nur noch unter Betäubung vorgenommen werden.
Schweden ist damit das erste Land der Welt, das rituelle Beschneidungen, die ohne Zustimmung der Betroffenen vorgenommen werden, per Gesetz einschränkt.
In Schweden wurden bislang jährlich ca. 3000 Jungen beschnitten, meistens zu rituellen oder religiösen Zwecken.

Jeder nicht ernsthaft medizinisch begründete chirurgische Eingriff an den Genitalien von Minderjährigen ist eine Verletzung des Menschenrechts auf körperliche Unversehrtheit!