Die Geschlechtsteile waren schon seit alters her Angriffsobjekte patriarchalischer Gesellschaften. Wenn auch die Kulturen, die genitale Modifikationen durchführ(t)en, deutlich in der Minderzahl sind, so fällt doch auf, dass diese Praktiken an sehr verteilten Orten auf der Welt üblich waren/sind. Ein weiterer auffallender Zusammenhang ist, dass weibliche Genitalverstümmelungen ausschließlich bei Kulturen üblich sind, die auch stets männliche Genitalverstümmelungen durchführen. Eine Untersuchung erbrachte das nicht verwunderliche Ergebnis, dass bei keiner einzigen diesbezüglichen Kultur sich die Betroffenen freiwillig dieser Operation unterziehen. Obwohl sicher stets traumatisierend für sie, bestehen allerdings erhebliche Unterschiede in der Durchführung des Rituals und damit auch für die psychischen Folgen. Z. B. ist es ein erheblicher Unterschied, ob ein Junge auf der kleinen Pazifikinsel Tikopia, nachdem er seelisch darauf vorbereitet wurde, im Rahmen einer Feier die Vorhaut eingeschnitten bekommt, während seine Verwandten dabei sind und ihn trösten, oder ob etwa ein Junge in der Provinz eines islamischen Staates zum „Haareschneiden“ geschickt und dort auf einem Tisch festgehalten wird, während ein Barbier seine Vorhaut abschneidet, so sehr er auch protestiert.
Die folgende Aufstellung listet die verschiedenen Formen männlicher Genitalverstümmelungen auf, beginnend mit der leichtesten bis zur schwersten bekannten Form (Kastration ausgenommen). Angaben bezüglich des Schmerzes sind natürlich sehr subjektiv. Dabei spielt eine große Rolle, ob Gewebe auf der ventralen Penisseite mit involviert ist, da sich beim Frenulum eine starke Konzentration von Nerven befindet. Bei Initiationsritualen ist die Zufügung von Schmerzen meist durchaus beabsichtigt.
- Art der Verstümmelung
- Ort
- Wer führt die Operation durch?
- Zweck
- in welchem Alter?
- heute noch gebräuchlich?
- Wie wird die Operation durchgeführt?
- Ergebnis
- Schmerz / Betäubung
- Infibulation
- „zivilisierte“ Länder im 19. Jahrhundert
- meistens ein Arzt
- Masturbationsverhinderung
- Jugendalter
- nein
- Die Vorhaut wird zweifach durchstochen. Es wird ein Silberdraht oder gar ein kleines Vorhängeschloss hindurchgeführt.
- zwei Löcher in der Vorhaut
- mäßig / nein
- Durchtrennen des Frenulums
- Bei den Luos in Afrika
- Bereits initiierte Jugendliche
- Initiationsritus
- 12 Jahre oder älter
- möglicherweise in ländlichen Gegenden hier und da noch praktiziert, teilweise durch radikale Beschneidungen ersetzt
- verschiedene Methoden:
1. Piercen des Frenulums, das dann mit einer Ligatur innerhalb weniger Tage durchtrennt wird
2. Piercen und anschließend Durchtrennen des Frenulums
3. Bei der bizarrsten Form wird eine Riesentermite dazu gebracht, das Frenulum durchzubeißen - Die Operation kurz vor der Pubertät soll bewirken, dass die Eichel nach erfolgtem Peniswachstum freiliegt. Kein Verlust von sensitivem Gewebe
- 1: mäßig bis stark 2: stark 3: sehr stark / nein
- Superinzision
- auf den Philippinen bei vielen, jedoch nicht allen Stämmen, auf den Fidschi-Inseln, auf den kleinen Pazifikinseln Tikopia (Polynesien), Tangaroa, Ra’ivavae und Niue
- ein Amateur, auf Tikopia ein Onkel, auf Ra’ivavae müssen die dazu Bestimmten selbst Hand anlegen
- Initiationsritus
- meist im Alter von 8 bis 10 Jahren durchgeführt (auf Niue im Alter von 8 Jahren, auf Fidschi während der Pubertät)
- noch gebräuchlich, auf den Philippinen jedoch zunehmend durch radikale Beschneidungen ersetzt.
- ein dorsaler Schnitt, bei dem die Vorhaut aufgeschnitten und die Eichel entblößt wird, jedoch kein Gewebe entfernt
- entblößte Eichel, Hautlappen an der Penisunterseite
- stark / nein
- Bizarre Form der Superinzision
- ein Stamm in Melanesien (westliche Salomon-Inseln)
- ein Amateur
- Initiationsritus
- ?
- ?
- es wird ein waagerechter Schnitt auf der Oberseite der Vorhaut gemacht und die Eichel hindurchgezogen.
- entblößte Eichel, Hautlappen an der Unterseite des Penis
- stark / nein
- Besondere Form der Superinzision
- ein Stamm in Melanesien (Salomon-Inseln)
- ein Amateur
- Initiationsritus
- ?
- noch gebräuchlich
- es werden 4 Schnitte in der Vorhaut gemacht, die Eichel entblößt, aber kein Gewebe entfernt
- entblößte Eichel, 4 Hautlappen, ähnlich einer Blüte, rund um die Eichel
- sehr stark / nein
- teilweise Beschneidung (zu ca. 1/3)
- A: im Judentum bis ins 2. Jahrhundert gebräuchlich
B: bei einigen afrikanischen Stämmen - A: der dafür ausgebildete Mohel
B. ein Amateur - A: biblisches Gebot
B: Initiationsritus - A: Am 8. Tage nach der Geburt
B: unterschiedlich - A: Nicht mehr in dieser leichteren Form
B: Noch gebräuchlich - Die Vorhaut wird vorgezogen und früher mit einem scharfen Stein, heute mit einer Rasierklinge teilweise abgeschnitten.
- teilweise entblößte Eichel, Verlust von sensitivem Gewebe
- sehr stark / nein
- teilweise Beschneidung (mindestens zur Hälfte bis 2/3)
- A: in islamischen Ländern, bei islamischen Bevölkerungsgruppen
B: bei afrikanischen Stämmen, bei Aborigines in Nordwest-Australien
C: in Westaustralien
D: in westlichen Ländern - A: Der Barbier, ein Beschneider, manchmal ein Arzt (der dann aber meistens radikal beschneidet)
B: ein Amateur
C: ein Amateur
D: ein Arzt - A: Initiationsritus, Tradition
B: dito
C: dito
D: weil Probleme auftraten, die der Arzt nicht anders zu lösen wusste - A: unterschiedlich, stets vor der Pubertät
B: unterschiedlich
C: ?
D: unterschiedlich, meist bei Kindern - A: ja
B: ja
C: ja
D: ja - Die Vorhaut wird vorgezogen und früher mit einem scharfen Stein, heute mit einer Rasierklinge oder einem Skalpell teilweise abgeschnitten. Wenn durch einen Chirurgen durchgeführt, werden meist Teile beider Hautschichten entfernt und ggf. anschließend vernäht
- teilweise, nach der Pubertät meist völlig entblößte Eichel, sichtbare Narbe, Verlust von sensitivem Gewebe
- sehr stark (bei Betäubung: kein Schmerz, aber evtl. unangenehme Nachwirkungen) / nein bzw. selten (bei D heute stets)
- plastische Operation, bei der die innere Hautschicht entfernt wird
- in zivilisierten Ländern
- ein Arzt
- weil Probleme auftraten, die der Arzt nicht anders zu lösen wusste
- unterschiedlich, meist bei Kindern
- ja
- die innere Vorhautschicht wird entfernt, die äußere Hautschicht wird nach innen geklappt und an der Eichelbasis festgenäht
- weitgehend entblößte Eichel, großer Verlust von sensitivem Gewebe. Zweck der Technik ist, eine gewisse Hautreserve zu belassen und die Beschneidungsnarbe unsichtbar anzuordnen.
- nein (evtl. unangenehme Nachwirkungen) / ja
- radikale Beschneidung
- A: in den USA bei Neugeborenen
B: in Kanada und Australien
C: in Südkorea
D: auf den Philippinen - A: Meistens ein Gynäkologe, manchmal ein praktischer Arzt, seltener ein Kinderarzt
B: ein Arzt, meistens Gynäkologe
C: ein Arzt
D: ein Arzt - A: aus überkommener Tradition (ursprünglich zur Masturbationseindämmung)
B: dito
C: um den Amerikanern nachzueifern
D: dito, z. T. als Ersatz für traditionelle Superinzision - A: kurz nach der Geburt
B: dito
C: meist vor der Pubertät
D: meist im Alter von 8 bis 10 Jahren - A: noch häufig (zu 57 %)
B: zumeist selten
C: sehr häufig
D: häufig - Die Vorhaut wird (nachdem sie bei Babies und Kleinkindern eingeschnitten und von der Eichel abgerissen wurde) vollständig weggeschnitten. Hierfür werden meist verschiedene Vorrichtungen benutzt. Auch das Frenulum wird manchmal enfernt.
- völlig entblößte Eichel, großer Verlust von sensitivem Gewebe, sichtbare Narbe, meist fehlende Hautreserve für Erektionen
- extrem stark / bei Babies meistens nein
- Subinzision, leichtere Form
meist in Verbindung mit vorhergehender Beschneidung - einige Aborigines-Stämme in Australien
- ein Amateur
- Initiationsritus
- ?
- ?
- Die Harnröhre wird an der Unterseite des Penis eingeschnitten
- Urinieren im Stehen wird unmöglich
- stark / nein
- Subinzision, schwerere Form
meist in Verbindung mit vorhergehender Beschneidung - einige Aborigines-Stämme in Australien
- ein Amateur
- Initiationsritus
- ?
- ?
- Die Harnröhre wird von der Peniswurzel bis zur Eichel komplett aufgeschnitten.
- Aussehen und Funktion des Penis werden massiv verändert. Urinieren im Stehen wird unmöglich
- extrem stark / nein
- Häutung des gesamten Penis
- Afrika, ein Stamm am roten Meer
- ein Amateur
- Initiationsritus
- ?
- wahrscheinlich seit etwa 1900 nicht mehr praktiziert
- Die gesamte Penishaut wird, incl. einem Stück Haut des Schamhügels, abgerissen.
- gravierende Verstümmelung
- außerordentlich stark / nein