Die Vorhaut ist alles andere als ein „überflüssiger Hautlappen“. Beim Kleinkind dient sie z. B. dazu, die Eichel und den Meatus vor dem Kontakt mit Stuhl (Darmbakterien) zu schützen. Die Schutzfunktion für die empfindliche Eichel, die von der Natur als inneres Organ, wie etwa die Zunge, vorgesehen ist, behält sie zeitlebens.
Kommt es zu einer Erektion, liefert die Vorhaut die dazu benötigte zusätzliche Haut.
Die Vorhaut dient als wichtiges Hilfsmittel für Vorspiel und Masturbation.
Die Vorhaut spielt eine wichtige Rolle beim Lustempfinden, da sie im vorderen Drittel zahlreiche freie Nervenenden und bestimmte Rezeptoren (die Meissnerschen Tastkörper) enthält.
Beim Geschlechtsverkehr dient die bewegliche Penishaut dazu, unnötige Reibung zu verhindern.
Nach neuesten Untersuchungen soll die Vorhaut auch eine Rolle im Zusammenhang mit dem Immunsystem spielen.
Daraus ergeben sich bereits die Nachteile der Beschneidung:
Die Schutzfunktion entfällt. Die vormals glatte, sehr dünne (nur 2 bis 3 Zellen) Eichelhaut (Schleimhaut) trocknet aus und keratinisiert (verhornt), sie wird 4 bis 16 Zellen dick. Deren Empfindlichkeit nimmt auch durch den ständigen Kontakt mit der Kleidung stark ab, ein Effekt, der sich mit zunehmendem Alter immer weiter fortsetzt. Dennoch wird stärkerer Kontakt mit der Kleidung, etwa beim Radfahren, manchmal als sehr unangenehm beschrieben.
Ein weiterer Effekt dieses Kontaktes können häufige, unerwünschte Erektionen sein.
Darüber hinaus entfällt die sensorische Funktion der Vorhaut, die ja fehlt. Auch bei einer „moderaten“ Beschneidung wird nämlich der weitaus größte Teil der Meissnerschen Tastkörper entfernt, da sich diese hauptsächlich im vorderen Drittel der Vorhaut befinden. Im Zusammenspiel mit der Empfindlichkeitsabnahme der Eichel wird die Sensorik des Penis massiv verändert.
Bei radikalen Beschneidungen wird auch das Frenulum entfernt, das intakte Männer häufig als eine Art männlichen G-Punkt bezeichnen. Radikal Beschnittene geben oft an, dass die einzig noch verbliebene empfindliche Stelle die Beschneidungsnarbe (also die Trennstelle der Nerven) ist.
In vielen Fällen ist nicht mehr genügend Haut vorhanden, um eine Erektion vollständig abzudecken. Es kommt dann zu unangenehmen Spannungsgefühlen. In extremen Fällen (wenn bei Beschneidung im Kindesalter viel zu viel Haut entfernt wurde) kann der Penis teilweise in den Körper gedrückt werden oder sich S-förmig verkrümmen.
Eine ästhetisch meist unbefriedigende Begleiterscheinung der Beschneidung kann sein, dass bei einer Erektion behaarte Haut auf den Penisschaft gezogen wird, da nicht mehr genügend penile Hautreserve vorhanden ist. Zudem entsteht natürlich bei einer Beschneidung eine Narbe.
Die Masturbation wird zwar nicht unmöglich gemacht, aber eventuell erschwert (was ja auch lange Zeit der Hauptzweck der Beschneidung war). Für Jugendliche kann das Erlernen neuer Techniken zusammen mit der Angst, vielleicht nie wieder solche Gefühle wie zuvor zu erleben, sehr belastend sein. Manchmal ist die Zuhilfenahme künstlicher Gleitmittel erforderlich, die hierzulande jedoch üblicherweise nur in Sex-Shops (ab 18 Jahre!) erhältlich und recht teuer sind.
Der Geschlechtsverkehr funktioniert nicht mehr ganz so, wie er von der Natur vorgesehen ist. Durch das Fehlen der beweglichen Penishaut kommt es zu mehr Reibung und manchmal zum Wundwerden. Nicht ohne Grund werden in US-Frauenzeitschriften Anzeigen für künstliche Gleitmittel geschaltet. Aufgrund der in den USA immer noch verbreiteten Beschneidungspraxis kann man diese Mittel dort in jedem Drugstore kaufen.
Unnötige Operationen beinhalten ein unnötiges Risiko. Zwar ist das prozentuale Risiko gering, wenn die Operation unter sterilen Bedingungen durchgeführt wird, trotzdem gibt es z. B. in den USA jährlich zahlreiche Todesfälle, die letztendlich auf die dort noch verbreitete Baby-Beschneidungspraxis zurückzuführen sind. Weitere bisher bekanntgewordene Fälle beinhalten:
- Gehirndefekt durch Infektion der Beschneidungswunde mit Staphylokokken
- Verlust der Zeugungsfähigkeit durch Infektion
- Verstümmelte Eichel
- amputierte Eichel
- Amputation des gesamten Penis
- Fistelbildung durch Beschädigung der Harnröhre
- Narbenphimose bei teilweiser Beschneidung
- Schwere Infektion des gesamten Unterleibs, was großflächige Gewebeexzisionen nötig macht
- Verhinderung oder Einschränkung des Peniswachstums in der Pubertät durch Amputation von erheblich zu viel Haut
- Meatus-Stenose (Verengung des Meatus durch Fehlen der Schutzfunktion der Vorhaut, in den USA häufig)
- schmerzhafte Zustände durch beschädigte Nerven
Folgendes gilt insbesondere für die USA:
Eine Untersuchung erbrachte das Ergebnis, dass Babies, die einige Monate zuvor ohne Betäubung (unter Verwendung einer Placebo-Salbe, um die Ergebnisse besser vergleichen zu können) beschnitten worden waren, eine wesentlich höhere Schmerzempfindlichkeit aufwiesen, als intakte Babies. Ebenfalls eine höhere Schmerzempfindlichkeit als die intakten Babies wiesen die unter Verwendung von EMLA-Betäubungssalbe beschnittenen Babies auf, was zeigt, dass dieses Verfahren auch nicht den extremen Schmerz völlig beseitigen kann. Das Ergebnis war eindeutig, die genaue Ursache der erhöhten Schmerzempfindlichkeit aber noch nicht klar.
Eine neueste Untersuchung (Tierversuch) deckte den Zusammenhang auf: Bei Neugeborenen ist das Nervensystem noch nicht völlig entwickelt. Ratten, die kurz nach der Geburt mit Nadeln gestochen wurden, wiesen später deutlich mehr Nervenbahnen zur Weiterleitung von Schmerzempfindungen auf, als Ratten, die in Ruhe gelassen wurden.
Das wichtigste Argument gegen Beschneidung von Minderjährigen darf hier nicht außer Acht gelassen werden: Es ist ganz klar, dass dabei eine wichtige Entscheidung, die Auswirkungen u. a. auf die Sexualität hat, von Anderen getroffen wird, als dem Betroffenen selbst. In allen vergleichbaren Fällen (z. B. weibliche Beschneidung oder Genitalpiercing) herrscht weitgehender Konsenz darüber, dass solche Praktiken unterbunden und ggf. bestraft werden sollten. Nur bezüglich der männlichen Beschneidung herrscht meist eine erstaunliche Toleranz und Akzeptanz. Erklären lässt sich das wohl nur damit, dass Wissen über die Funktionen der Vorhaut wenig verbreitet ist, so dass viele (insbesondere Personen, die gar kein solches Körperteil haben, nämlich Frauen) glauben, eine Beschneidung bedeute keinen Verlust.